Das Problem mit der Kondition

Veröffentlicht auf von Erik

Wie wir alle sehr gut wissen, ist Kondition in der Sportwissenschaft ein Sammelbegriff, der fälschlicherweise von den meisten renomierten Sportkommentatoren mit Ausdauer gleichgesetzt wird. Tatsächlich - und das habe ich aus meinem Trainer-Basis-Lehrgang mitgenommen - bezeichnet der Begriff den individuellen Zustand in den vier körperlichen Leistungsbereichen: Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer. (Dabei nicht unwichtig: Konditon ist nicht gleich Belastbarkeit, wie es uns zum Beispiel in der Bundeswehr - gegen den Rat des Sanitätsdienstes - immernoch weiß gemacht wird.)

Soweit ist alles bekannt. Weniger geläufig ist dagegen die Tatsache, dass alle vier Konditionsbereiche gegenseitig aufeinander Einfluss nehemen. Und dabei kommt es zum Beispiel bei den Kategorien Schnelligkeit und Ausdauer oft zu gegensätzlichen Auswirkungen. Erhöhe ich zum Beispiel durch gezieltes Ausdauertraining (Schwimmen, Laufen, Rudern, Fahrradfahren etc.) meine Kondition in diesem Bereich, dann geht dies auf Kosten der Schnelligkeit und auch der Kraft. Andersum genauso. Gerade diese drei Bereiche bedingen sich gegenseitig sehr stark. Insgesammt ist es zwar möglich, sich in allen Bereichen zu steigern, tendenziell wird aber immer eine die stärkste sein. Die Beweglichkeit hält sich dabei etwas heraus. Sie kann ohnehin nur schwer trainiert werden.
Hinzu kommt, dass wohl die Gene einen nicht unwesentlichen Anteil an der Verteilung der Stärken und Schwächen haben. So ist uns die Ausstattung mit so genannten Slow-Twitch-Muskelfasern - auch "rote Fasern" genannt - und Fast-Twitch-Muskelfasern ("weiße Fasern") zu größten Teilen angeboren. Wobei ein Überschuss an roten Fasern eher den Ausdauer- und bei weißen Fasern eher den Schnelligkeitsathleten hervorbringen.

Das alles ist mir seit Jahren bekannt und ich predigte es schon bei vielen Gelegenheiten. Doch erst kürzlich erfuhr ich die Auswirkungen der gegenläufigen Wirkung unterschiedlicher Trainingsschwerpunkte am eigenen Leib. Ich bin erstaunt, dass es mich so überrascht hat!

Als Ruderer trainiere ich einen Sport, der wie nur wenige andere Sportarten ein möglichstes Gleichgewicht zwischen allen vier Bereichen fordert. Mit einer leichten Überlast zugunsten von Kraft und Ausdauer gegenüber der Schnelligkeit ist das Training sehr zeit- und streckenintensiv, denn schließlich fordert die Strecke rund acht Minuten Höchstleistung. Jetzt kam es allerdings, dass ich das Training vom Wasser, auf dem hauptsächlich Ausdauer gefordert wird, in das Kraftstudio verlegt habe. Zusätzlich regte ich das Muskelwachstum mit Eiweißkonzentraten an. Die Folge ist nun, dass ich nach nur sechs Wochen Training einen enormen Vorsprung auf Seiten der Schnellkraft besitze, auf Seiten der Ausdauer aber so stark eingebüßt habe, dass mein tägliches Trainingspensum kaum zu schaffen ist. Das ist ein Defizit, das aufgrund der aufgebauten Muskelmasse nicht in sechs wochen wieder ausgeglichen ist.

Dieses Problem hätte ich vorhersehen müssen. Habe ich aber nicht. Fazit: Selbst verinnerlichtes, immer wieder weitervermitteltes Wissen, schützt nicht vor dem sturen Immer-weiter-Laufen des Alltags.
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